Single Malt Sailing

Ein Milongatörn um das Mull of Kintyre und zur Whiskyinsel Islay
29. August bis 5. September 2015

Am frühen Nachmittag des 29. August trifft sich die Crew am Bahnhof von Largs. Einige sind schon am Vorabend eingeflogen, um noch einen Tag in Glasgow zu verbringen. Die Milonga liegt in der großzügigen Marina etwas südlich vom Ort. Nachdem das Gepäck an Bord verstaut ist, ist noch eine Einkaufstour zum Supermarkt in Largs erforderlich, anschließend kurze Grobplanung der ersten Segeltage und es kann losgehen. Zügig sind auch die Vorräte verstaut und wir segeln noch am späten Nachmittag los.

FotoDie ersten Tage im Seegebiet des Firth of Clyde verlaufen wie ein Werbefilm für entspannten Segelurlaub. Wir fahren durch geschützte Firths und Lochs und segeln dementsprechend ruhig zwischen wunderschönen, in den unterschiedlichsten Grüntönen leuchtenden Hügeln hindurch. Wie für die Gegend üblich, wechselt sich strahlender Sonnenschein recht gleichmäßig mit strömendem Regen ab. Die wechselnde Bewölkung sorgt für sich wandelnde Lichtverhältnisse, die die wunderschöne Landschaft teils in düsteren Grautönen bedrohlich erscheinen, teils in gleißendem Licht erstrahlen lässt. Etwas Delphinartiges begleitet uns eine kurze Zeit und sorgt für Aufregung. Es gibt viel Zeit zum Angeln und Entspannen an Bord – Beides übrigens erfolgreich.

FotoDie Orte sind allesamt von einer recht überschaubaren Größe. Die Schotten legen eindeutig sehr viel Wert auf Blumen. Die Häuschen erinnern häufig an die Harry Potter Filme, enge Gassen, kleine Läden und Blumen überall. Die Häfen sind wie die Orte ebenfalls klein. Hübsche Fischerhäfen, in die jeweils recht neue Schwimmstege für Sportboote hineingesetzt wurden. Die sanitären Einrichtungen sind, sofern vorhanden, in Ordnung.

In Campbeltown heißt es dann abends erstmals hinsetzen, Hefte raus, Gezeitenaufgabe: „Wann müssen wir in Campbeltown ablegen, um trotz – nein, mit Hilfe der Gezeiten – noch im Hellen in Port Ellen anzulegen?“. Es ist Springzeit, das heißt hier Gezeitenströme von bis zu 5 Knoten. Die sollten uns doch lieber helfen, gegenan würde wohl eher frustrieren und soll vermieden werden. Wir rechnen fleißig und legen die Auslaufzeit fest. Anschließend Abendbrot, geistige Getränke und gute Nacht.

Kurz nach dem Auslaufen am nächsten Morgen gibt es schon erste Anzeichen dafür, dass wir uns nicht völlig verrechnet haben. Es sind eine ganze Menge Boote (bis zu drei) direkt vor uns in die gleiche Richtung aufgebrochen. Das ablaufende Wasser saugt uns zunächst hinaus aus dem Firth of Clyde. Der Strom kentert wie gewünscht in dem Moment, in dem wir lautstark singend dem Mull of Kentyre huldigen und dieses umrunden. Dank Smartphone stimmte zumindest der Text einigermaßen. Anschließend drückt uns das auflaufende Wasser schwungvoll in den Sound of Jura, der im Reeds auch als „Sailors Disapointment“ bezeichnet wird. Aber bei uns gibt es keine Spur von Enttäuschung. Im Gegenteil, es war ein herrlicher Segeltag.

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Das erste Mal auf diesem Törn können wir deutlich beobachten, welche Effekte die starke Gezeitenströmung an der Wasseroberfläche erzeugt, in der Seekarte als Tidal Ripps (Wellen) und Eddies (Strudel) bezeichnet. Hakelig wellige Bereiche wechseln sich mit ganz ruhigen Flächen ab.

Am Wind und mit Gezeitenschub segeln wir auf die Südküste Islays zu. Nach nur acht Stunden sind die Destillerien an der Küste deutlich zu erkennen. Wir kreuzen noch ein wenig und voller Vorfreude auf Whisky und Landschaft legen wir in Port Ellen an.

Bei der Einteilung Schottlands in seine Whiskyregionen wird Islay als eigene Region geführt. Kein Wunder, denn hier gibt es acht noch aktive Destillerien. Es ist nicht ganz klar, welche von ihnen zu Recht den Anspruch auf den Titel, die älteste Brennerei der Insel zu sein beansprucht (laut Wikipedia ist es Bowmore, die Universität in Glasgow ist sicherheitshalber aber noch bei der Nachforschen). Mit Ausnahme von Kilchoman, die 2005 gegründet wurde, sind alle die heute noch existieren, zwischen 1779 und 1816 offiziell oder inoffiziell, legal oder eher nicht so legal, ins Leben gerufen worden. Man weiß zumeist wohl nicht ganz genau, wer wann jeweils von Eigenbedarf auf Profibetrieb umgestellt hat oder wann begonnen wurde, den Obolus an den Fiskus zu entrichten.

Wir entscheiden uns am nächsten Tag, die Destillerien Ardbeg und Laphroaig zu besichtigen. Beide Vermuten ihre Gründung im Jahre 1815, haben also gerade ihr 200-jähriges Jubiläum begangen und dies unter anderem mit der Herausgabe von kostspieligen Extraabfüllungen ihrer edlen Erzeugnisse gefeiert.

FotoNatürlich geht es abends in Port Ellen erst einmal in die nächstgelegene (und wahrscheinlich auch einzige) Kneipe. Hier gibt es sehr nette Leute zu treffen, von der israelischen Touristin bis zum einheimischen Destilleriearbeiter. Ein Dudelsackspieler verdient sich sein Bierchen durch ausgiebiges Dudeln und hinter dem Tresen gibt es die größte Auswahl an Whisky zu bestaunen, die wir in unserem Leben wohl jemals zu sehen bekommen werden. Angeblich sind alle auf Islay produzierten Whiskys erhältlich und die von Jura gleich mit. Wir geben uns Mühe, schaffen es aber nicht, alle zu kosten.

FotoAm Morgen unsres Whisky/Hafentages in Port Ellen machen wir uns zu Fuß auf den Weg. Wir wollen ja auch etwas von der schönen Landschaft mitbekommen. Nachdem die Destillerie Port Ellen 1983 den Betrieb eingestellt hatte, gibt es nur noch drei Destillerien an der Südküste Islays. Wir haben telefonisch am Vorabend Termine für unsere beiden Führungen vereinbart. Das sorgt dafür, dass wir unseren Ausflug strammen Schrittes antreten müssen. Aber unsere seemännischen Berechnungen taugen auch an Land. Nach einem Drittel der Strecke werden die durchschnittliche Geschwindigkeit sowie die ETA ermittelt. Anschließend wird das Tempo noch einmal verschärft und Punktlandung – wir erreichen Ardbeg exakt drei Minuten vor Beginn unserer Führung.

Den Abschuss einer jeden Besichtigung bildet natürlich das Tasting. Wir dürfen die Abfüllungen des jeweiligen Hauses ausgiebig kosten und erhalten je ein Nosingglas als Andenken.

Die Milonga bzw. die örtliche Meeresfauna hält uns dann am Abend noch eine Überraschung bereit. Die Bedürfnisse können nicht mehr wie gewünscht in den dafür vorgesehenen Tank gepumpt werden, weil durch den Seewasserzulauf kein Seewasser mehr läuft. Patrick springt todesmutig in die kühlen Fluten, um den Zulauf von außen zu begutachten, während der Rest der Mannschaft drinnen auf Ursachenforschung geht. Relativ schnell istdann ein Fischlein gefunden, das direkt hinter dem Seeventil des Zulaufes in der Krümmung des Rohres steckengeblieben ist. Der Fisch konnte nicht gerettet werden, war aber auch zu klein für den Verzehr. Nachdem die Leitungen wieder zusammengeschraubt waren, wurde der Erfolg durch kräftiges Pumpen kontrolliert. Nach etwa zehn Pumpenstößen war aber die große Freude wieder vorbei. Dieses Mal wurden mehr Leitungen auseinandergenommen, bis ein zweites Fischlein entdeckt wurde. Es steckte mit dem Kopf bereits in der Pumpe, hatte also schon das komplette Schlauchsystem durchschwommen, dieses Abenteuer allerdings ebenfalls nicht überstanden.

Wir segeln bei tollem Wind zwischen der Küste und den inneren Hebryden hindurch. Zwischen Jura und Scarba liegt der berühmt berüchtigte Gulf of Corrywreckan. Laut Reiseführer bildet sich hier bei ablaufendem Wasser ein Strudel von 1,3 km Durchmesser. Die Seekarte vermeldet: “Strong tidal streams with eddis, races and overfalls occur at certain places. Streams setting through the Gulf of Corrywreckan are very dangerous.“ Gut, verstanden, da wollten wir sowieso nicht durch. Wir hatten als Tagesziel eigentlich Jura geplant, aber bei dem tollen Wind entscheiden wir uns einfach zum Weitersegeln. Etappenziel wird so Craobh Haven. Fast ein Naturhafen, der durch das Zuschütten der Zwischenräume zwischen ein paar im Halbkreis vor der Küste liegenden kleinen Inseln erzeugt wurde. Zu sehen gibt es hier ausnahmsweise mal nichts weiter, zu essen dafür ein ordentliches Nationalgericht, Haggis mit Runkelrübe, Zeremonie, Flagge, Diestelblüte und Ansprache von Hartwig.

Nun sind wir dem Übergabehafen Oban am Morgen des vorletzten Segeltages schon sehr nahe. Los geht’s, hinaus aus dem Hafen, bei wenig Wind. Der obligatorische Schluck für Neptun sorgt dann schon bei der Durchfahrt zwischen den Inseln Shuna und Luing wieder für mehr Druck in den Segeln. Also schießen wir über das Ziel hinaus und lassen uns am Nachmittag des 3. Septembers vom auflaufenden Wasser in das Loch Creran hineindrücken. Die Einfahrt wird zwar von Robben bewacht, diese grinsen uns aber nur friedlich von ihren Ruhefelsen aus an.

Im Loch Creran ist die Entscheidung zu fällen, ob wir ankern oder uns an eine Mooring hängen sollen. Da wir faul sind entscheiden wir uns für die zweite Möglichkeit. Wir verleben einen herrlichen Abend mit Whisky, Wein und Bier, Pavarotti und Hans Albers in der wunderschönen Umgebung eines schottischen Lochs.

Für den letzten kurzen Schlag lassen wir uns von den Gezeiten wieder an unseren Robbenfreunden vorbeitreiben. Sie lächeln uns noch einmal zu und winken zum Abschied. Der Yachthafen von Oban liegt gegenüber vom Ort auf der Insel Kerrera. In den Ort gelangt man nur mit Hilfe einer kleinen Fähre (maximal 12 Personen). Direkt bei der Marina gibt es ein kleines Fischrestaurant. Dort wird der Abschluss des Törns gefeiert.

Am nächsten Morgen verlassen uns Andrea, Patrick, Hartwig und Alex. Wir schauen noch zu wie die vier auf der Fähre Richtung Oban verschwinden. Am Nachmittag setzen wir auch über, schauen uns den Ort an und holen Matthias und Hanno vom Bahnhof ab. Weiter geht die Schottlandreise der Milonga im nächsten Beitrag.

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